Übertraining: Symptome erkennen und beheben für dauerhaften Trainingsfortschritt
Sobald die Leistung stagniert und im Bereich des Trainings rein gar nichts mehr vorangehen will, sind viele Kraftsportler leicht dazu geneigt, allerlei Dinge auszuprobieren, um dem Leistungsplateau zu entkommen. In der Regel gelingt dies auch mit einer leichten Anpassung des Trainingsplans, einer sanften Erhöhung der Intensität oder durch die Aufnahme zusätzlicher hochwertiger Nährstoffe oder Nahrungsergänzungsmittel. Greift jedoch keine dieser etablierten Methoden, sind viele Hobbyathleten mit ihrem Latein am Ende. An dieser Stelle ist nicht nur guter Rat teuer, sondern auch das Potenzial, schwerwiegende Fehlentscheidungen zu treffen besonders hoch.
Die in diesem Zusammenhang zweifelsohne am häufigsten getroffene Fehlentscheidung ist die, die Trainingsintensität durch zusätzliches Volumen oder die Erhöhung der Trainingsfrequenz noch weiter zu steigern, um den Körper zu Anpassungsreaktionen zu zwingen. Häufig wird dabei aber außer Acht gelassen, dass der Organismus unter Umständen bereits überlastet ist und aus diesem Grund nicht mehr dazu fähig ist, seine Leistung zu entfalten und Fortschritte in puncto Kraft- und Massezuwachs zu generieren. Dieser Zustand des Übertrainings ist nicht nur ärgerlich, sondern kann mitunter zu einem dauerhaften Problem werden, da die fortwährende Belastung den Organismus nicht adäquat regenerieren lässt, womit zudem die Anfälligkeit gegenüber Infektionen und Verletzungen steigt.
Zum Leidwesen vieler Athleten erkennen sie nur allzu spät, dass sie sich im Übertraining befinden, was oftmals daran liegt, dass bezüglich der genannten Begrifflichkeit in weiten Teilen der Fitness-Community Unklarheit darüber herrscht, was Übertraining eigentlich ist. Um ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen, befasst sich dieser Artikel mit allen Facetten der Thematik und hilft Freizeitathleten dabei, die Symptome des Übertrainings zu erkennen und zu beheben.
Was ist Übertraining?
Bevor wir aber tiefer in die Thematik einsteigen und uns darum kümmern, wie die Anzeichen des Übertrainings bereits in ihrer Entstehung entdeckt werden können und das Auftreten der Überbelastung verhindert werden kann, wollen wir uns im Detail der Begrifflichkeit widmen. Der Begriff Übertraining ist im Kreise von Kraftsportlern in aller Munde und wird ebenso inflationär gebraucht wie der Terminus des Hardgainers. Im Detail betrachtet besteht zwischen diesen beiden Vokabeln auch durchaus ein symptomatischer Zusammenhang, auf den wir im Rahmen dieses Artikels jedoch nicht weiter eingehen wollen. Wenden wir uns lieber wieder dem Übertraining zu, das in seiner semantischen Bedeutung nur schwer zu fassen ist.
Ursächlich ist, dass Übertraining schlicht und ergreifend als Beschreibung eines Zustandes steht, in dem der Organismus durch intensives Training nicht mehr in der Lage ist, sich bis zum Beginn der nächsten Trainingseinheit vernünftig zu erholen. Ab welchem Zeitpunkt der Körper von der Trainingsintensität eines Athleten derart überfordert ist, dass er dazu neigt, regenerative Prozesse dauerhaft suboptimal auszuführen, ist leider nicht pauschal definierbar. Demzufolge ist es von größter Bedeutung die Warnzeichen des Körpers frühzeitig zu erkennen und, was noch viel wichtiger ist, diese auch ernst zu nehmen. Es liegt auf der Hand, dass schwer greifbare Termini wie der des Übertrainings nicht unbedingt förderlich für das Verständnis des zugrundeliegenden Sachverhalts sind. Das folgende Beispiel dient folglich dazu, den Begriff Übertraining plastischer erscheinen zu lassen und ihn von seinem nebulösen Korsett zu befreien.
Es hilft unter Umständen, sich den Organismus als Generator vorzustellen, der dafür verantwortlich ist, für alle Aktivitäten, also auch für das Training, Energie bereitzustellen. Der Generator repräsentiert in diesem vereinfachten Beispiel das zentrale Nervensystem (ZNS), das eben wie ein Generator für die energetische Ansteuerung der motorischen Einheiten der Muskulatur verantwortlich ist. Solange sich die an den Generator gestellte Leistungsanforderung im Bereich seiner maximal möglichen Leistungskapazität bewegt, funktioniert der Organismus wie ein Schweizer Uhrwerk.
Tritt aber eine dauerhafte signifikante Überlastung ein, sinkt die Effizienz der Nervenimpulse, die über das Rückenmark an die Muskulatur gesendet werden. So können diese ihre Aufgaben nicht mehr ausreichend erfüllen, was unter anderem zu einem starken Leistungsabfall führen kann. Um diesen Zustand der Überlastung zu verdeutlichen, verwenden wir wieder das Bild des Generators. Dieser läuft rund, solange er seiner maximalen Leistung entsprechend unter Spannung steht. Werden jedoch zu viele energiehungrige Geräte gleichzeitig an die entsprechende Stromquelle angeschlossen führt dies zu einem Kurzschluss, der im übertragenen Sinne auch das zentrale Nervensystem ereilt. Und da das ZNS im Gesamtkonzept des Organismus im wahrsten Sinne des Wortes von zentraler Bedeutung ist, hat ein Kurzschluss im zentralen Nervensystem schwerwiegende Folgen für den Körper.
Ursachen für Übertraining & Bedeutung Regeneration
Da das Übertraining offensichtlich einen Überlastungszustand beschreibt, stehen wir im Zuge der Identifizierung einer expliziten Ursache abermals vor der Herausforderung, die zahlreichen Einflussfaktoren für sich genommen zu analysieren und diejenigen darunter ausfindig zu machen, die für die Überlastungserscheinungen verantwortlich sind. Der wohl entscheidendste Faktor ist wie so oft die Zeit, denn jeder Adaptionsprozess verlangt dem Organismus diverse Anpassungsreaktionen sowohl im Bereich der Muskulatur, des passiven Bewegungsapparates als auch im neuronalen Bereich ab.
Während sich die Muskulatur vergleichsweise schnell an neue Belastungen und Belastungsumfänge gewöhnt, braucht das zentrale Nervensystem wesentlich länger, bis es den neuen Anforderungen gerecht werden kann. In der Folge ist die häufigste Ursache für das Auftreten des Übertrainings ein zu schnell gesteigerter Trainingsumfang sowie eine zu schnell erhöhte Trainingsintensität.
Darüber hinaus steigt die Wahrscheinlichkeit für Kurzschlüsse im zentralen Nervensystem durch die abrupte Erhöhung der Trainingshäufigkeit. Nicht umsonst empfehlen Sportmediziner, jede neuartige Belastung langsam einzuleiten. Mit den drei erstgenannten Punkten eng verwoben ist darüber hinaus der Faktor der Regeneration, der im Zuge neuer Belastungen von immenser Bedeutung ist. Wie allgemein bekannt sein sollte, finden Anpassungsreaktionen im Rahmen der Regenerationsphasen statt und nicht während der Trainingsbelastung. Folglich muss dem Organismus auch ausreichend Zeit bleiben, um regenerative Prozesse einzuleiten.
Um die Bedeutung des Zeitfaktors für Anpassungsreaktionen und die Regeneration zu verdeutlichen bedienen wir uns an dieser Stelle des sportwissenschaftlichen Modells der Superkompensation. Dieses Modell veranschaulicht den Verlauf der Leistungskurve zwischen mehreren Trainingseinheiten und gibt Aufschluss darüber, wann der optimale Zeitpunkt für das Setzen eines neuen Reizes, also die Absolvierung einer weiteren Trainingseinheit ist. Die Leistungskurve sinkt nach einer intensiven Trainingseinheit signifikant ab, sodass der Organismus 24-48 Stunden benötigt, um auf das Ausgangsniveau zurückzukehren. Erst in den darauffolgenden 24 Stunden findet der Leistungszuwachs statt. Ziel sollte es sein, am Punkt des maximalen Leistungszuwachses den nächsten Reiz zu setzen. Dies ist in der Regel nach 72 Stunden der Fall, da die Leistungskurve danach wieder zu sinken beginnt.
Beim Übertraining ist es aber in der Regel so, dass die Regeneration zu häufig deutlich kürzer ausfällt, sodass der jeweils neue Trainingsreiz bereits gesetzt wird, wenn sich die Leistungskurve auf dem Ausgangsniveau oder gar unterhalb des Ausgangsniveaus befindet. Auf kurze Sicht kann der Körper diese Tatsache ausgleichen, da die Evolution dem Menschen die Fähigkeit gegeben hat, die Regeneration kurzfristig an die erhöhten Anforderungen anzupassen. Langfristig führt dieser Zustand jedoch dazu, dass die Leistungskurve dauerhaft sinkt.
In diesem Zusammenhang wird der Organismus zudem physiologischem Stress ausgesetzt, der sich unter anderem auf das Immunsystem auswirkt. Auch alltäglicher Stress kann das Entstehen von Übertraining begünstigen, da es den urzeitlichen physiologischen Mechanismen unseres Körpers ziemlich egal ist, ob der Stress durch Überlastung im Training oder im Job verursacht wird. Weitere nicht zu vernachlässigende Aspekte sind auch die Genetik und nicht zuletzt die Trainingserfahrung. Denn Anfänger, die gleich mit einem intensiven 4er-Split starten, werden häufiger von den Folgen des Übertrainings betroffen sein, als erfahrene Athleten, deren Körper auch intensivste Einheiten deutlich leichter wegstecken.
Woran kann ich erkennen, ob ich mich im Übertraining befinde?
Da wir nun hinreichend beleuchtet haben, was Übertraining ist und wodurch dieser Zustand verursacht wird, ist es an der Zeit, sich mit den Symptomen zu beschäftigen, denn nur wer die Signale seines Körpers zuverlässig lesen kann, ist dazu in der Lage, dem Auftreten des Übertrainings zuvorzukommen oder zumindest die Folgen zu mindern. In körperlicher Hinsicht sind ausbleibende Trainingserfolge das auffälligste Merkmal des Übertrainings. Dieses Symptom entsteht aufgrund eines Missverhältnisses zwischen Testosteron und einem zu hohen Cortisolspiegel, das seines Zeichens ein Stresshormon ist. Diese hormonelle Ausgangslage führt dazu, dass die Insulinempfindlichkeit des Organismus zunimmt, was zur Folge hat, dass die Muskulatur schlechter regeneriert und zudem die Gefahr steigt, dass trotz hervorragender Ernährung Fett eingelagert wird.
Ein weiteres häufig auftretendes Symptom ist anhaltende Antriebslosigkeit. Selbstredend gibt es Tage, an denen wir uns "absolut gebügelt" fühlen und nicht von zehn Pferden ins Fitnessstudio gebracht werden könnten. Das ist normal. Hält dieser Zustand jedoch mehrere Tage oder Wochen an, sollte zwingend eine regenerative Pause eingelegt werden. Wie lange diese im Einzelfall sein sollte, lässt sich nicht mit Bestimmtheit sagen, denn dies ist vom Körpergefühl jedes einzelnen Athleten abhängig. Mit der Antriebslosigkeit geht zumeist auch eine gewisse bleierne Müdigkeit einher, die ebenfalls auf die Kombination aus einem niedrigen Testosteronspiegel, einer hohen Cortisolkonzentration sowie einer Überreizung des zentralen Nervensystems zurückzuführen ist.
Abseits dieser eher dem geistig-psychologischen Spektrum zuzuordnen Symptome existieren einige Merkmale für Übertraining, die vergleichsweise offensichtlich sind. Zu diesen zählt beispielsweise ein ungewöhnlich starker Muskelkater, der bis zu einer Woche anhalten kann. Im Einzelfall ist dies nach einem besonders intensiven Workout nicht weiter tragisch, sollte es jedoch zu einem Dauerzustand werden, sollte in puncto Training ein Gang zurückgeschaltet werden.
Ebenso verhält es sich bei langanhaltenden Gelenkschmerzen, die mitunter durch die mangelhafte Ernährung des hyalinen Gelenkknorpels begünstigt werden. Ein solches Warnsignal sollte in jedem Fall genauso ernst genommen werden, wie eine erhöhte Neigung zu Erkältungen und kleineren Infektionen, die trotz optimaler Ernährung immer wieder ihr Unwesen treiben. Auch hier liegt die Ursache in einem überlasteten zentralen Nervensystem, das die korrekte Funktionsweise des Immunsystems torpediert. Tritt eines der genannten Symptome auf, bedeutet dies noch lange nicht, dass sich ein Athlet im Übertraining befindet. Treten aber mehrere Merkmale gleichzeitig auf, sollten alle Alarmglocken schrillen.
Wie kann ich dem Entstehen von Übertraining vorbeugen?
Anders als es vielleicht den Anschein haben mag, schwebt das Damoklesschwert des Übertrainings nicht omnipräsent über jedem Athleten, weshalb es der völlig falsche Weg wäre, die Trainingsintensität zugunsten der Risikoreduktion gänzlich in den Keller zu fahren. Vielmehr ist es notwendig, die Trainingsintensität, gleich in welcher Form, stufenweise zu steigern, bis das gewünschte Niveau erreicht ist.
Nur so hat der Organismus ausreichend Zeit, sich an die Anforderungen anzupassen. Neben der sukzessiven Intensitätssteigerung nimmt vor allem die Regeneration eine Schlüsselposition ein, denn wer seinem Körper nach einem harten Training ausreichend Erholung gönnt, braucht sich trotz intensiver Einheiten vor dem Übertraining nicht zu fürchten. Da der Regenerationsfaktor allerdings sehr individuell ist, ist es lediglich möglich mit einer groben Faustregel zu arbeiten, die besagt, dass zwischen zwei Trainingseinheiten, die die gleichen Muskelgruppen beanspruchen, mindestens 48 Stunden liegen sollten. Eine gesunde Ernährung und die dauerhafte Einhaltung einer Nachtschlafdauer von 7-8 Stunden runden das Gesamtpaket zur Prävention von Übertraining sinnvoll ab.